Das Beste liegt vor uns

Wir können unsere Zukunft gestalten. Was hinter uns liegt, das ist nicht zu ändern. Unsere beiden Augen richten sich nach vorne. Den Blick auf das, was vor uns liegt, zu behalten, ist jedoch nicht so einfach. Denn über einen Mangel an Herausforderungen, die uns gestellt werden, können wir uns in den letzten Jahren nicht beklagen.

Während der Corona-Pandemie wurden viele unserer Wünsche und Pläne über den Haufen geworfen. Jetzt kommt die Energie-Krise dazu. Und wer weiß, was noch so kommt. Wir hoffen auf das Beste. Und bereiten uns zugleich auf absehbare Herausforderungen vor.

Das Beste liegt vor uns. Dieser Appell ist gerade in Zeiten der Krise von bedeutsam. Wir sollten gerade in schwierigen Situationen bestmöglich unsere Energie wieder auf das Gestalten der Zukunft richten. Das fällt in schweren Zeiten nicht leicht. Zweckoptimismus, alles sei halb so wild und das wird schon wieder, hilft, wenn überhaupt, nur kurz.

„Effectuation“ als das Gebot der Stunde

In Krisen sollten wir alle unsere Energie auf das aktuell Beeinflussbare richten. Die Effekte, die wir kurzfristig erzielen, stärken wiederum unser Selbstbewusstsein, nicht hilflos zu sein. In Phasen völliger Unsicherheit und Ungewissheit bleiben wir mit Effectuation fähig zu Entscheidungen. Unser Handeln leiten wir nicht, wie sonst üblich, auf den Erfahrungen oder Daten der Vergangenheit ab. Die gibt es nicht!

Unmittelbar Effekte erzielen - dieses Prinzip wird in Krisen zum Maßstab unseres Handels. Das Beste für uns in Krisen ist das, was sofort und leicht aufgegriffen werden kann. Was vielleicht noch besser wäre, aber nicht schnell greifbar ist, hilft nicht weiter. Wir halten uns nicht lange mit Prognosen auf, was wie in wenigen Wochen oder Monaten aus der Krise werden und um uns herum passieren könnte. Dadurch würden wir sogar unser Gefühl der Unsicherheit steigern. Denn jede Prognose ist, in einer nie dagewesenen Situation, reine Spekulation. Prognosen können sich schnell als Utopie erweisen.

Wir bilden vielmehr Szenarien, was wir mit unserem eigenen Handeln erreichen wollen und können. Diese Szenarien sollten möglichst konkret und bildhaft sein, was passieren soll oder wie sich das anfühlen wird. Diese attraktive Perspektive löst zwar nicht alle Probleme, wirkt jedoch als Ermutigung. Statt mit unserem Schicksal zu hadern, das wir nicht ändern können, richten wir unsere Energie auf die Chancen, die sich noch oder sogar neu bieten.

Treiber und nicht Getriebener sein Mit Effectuation bleiben wir in der Position des Gestalters unseres eigenen Schicksals – in einer Umgebung, die aktuell zu 99 Prozent unser Leben bestimmt, aber nicht eigenes Handeln verhindern sollte. Wir fokussieren die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, um in der aktuellen Krise das Bestmögliche erreichen. Diese konkreten Schritte versetzen jede Person in die Position des Treibers:

1. Das sind meine Mittel:
Die vorhandenen Instrumente und Kompetenzen werden gesammelt und daraus sofort umsetzbare Ziele festgelegt, zum Beispiel zunächst für die nächsten zehn Tage.

2. Das ist mein Einsatz:
Der selbst leistbare Einsatz (und auch ertragbare potentielle Verlust) wird geprüft und verbindlich fixiert. Auf dieser Basis kann festgelegt werden, welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden.

3. Das sind meine Partner:
Mögliche Mitstreiter oder auch Unterstützer werden ermittelt und unmittelbar angegangen. Aus diesen Kontakten zur Kooperation ergeben sich ggf. weitere Handlungsmöglichkeiten, die selbst bisher nicht bekannt waren.

4. Das sind meine Hindernisse:
Für die anvisierten Effekte wird betrachtet, welche wesentlichen Risiken oder Hindernisse zu beachten sind, wie zum Beispiel während Corona plötzliche neue behördliche Vorschriften. Bei deren Eintreten wird sofort das eigene Handeln neu justiert, ggf. heißt es: „Zurück auf Los“.

Im Ergebnis steigern wir unsere sogenannte Resilienz, also die Fähigkeit, den ursprünglichen oder einen vergleichbaren Zustand wieder erreichen zu können. Effectuation gibt dafür keine Garantie. Wir werden jedoch die feste Überzeugung besitzen, alles Mögliche getan zu haben - egal wie das Ergebnis nach der Krise aussieht. Dieses Bewusstsein kann jede und jeden ermutigen, jetzt zu handeln und nicht nachzulassen, obwohl nicht absehbar ist, wie tiefgreifend die jeweilige Krise letztlich für die eigene Person oder Umgebung sein wird.

Entscheiden mit dem Mut zur Lücke Effekte erzielen während Krisen braucht vor allem eins: Entscheidungen. Und das schnell. Entscheiden bedeutet, tolerant zu sein gegen die Ungewissheit, welche unvorhersehbaren Wirkungen die Entscheidung haben kann und ob die beabsichtigte Wirkung erzielt wird. Besonders in offenen und intransparenten, unbekannten und wenig strukturierten Situationen einer Krise ist es unmöglich, alle denkbaren Faktoren zu berücksichtigen. Vielmehr sind die entscheidenden, handlungsrelevanten Einflüsse und Parameter zu identifizieren: Das kann ich tun steht im Fokus und weniger Das kann noch alles passieren.

Unsere Antwort, was wir tun sollten, sollte nicht ewig dauern. Inzwischen wurde sogar durch Experimente die Alltagsweisheit nachvollzogen, dass beim Entschieden

  • nicht nur während Krisen – das sprichwörtliche Vorgehen gut geeignet ist: „Lass uns eine Nacht drüber zu schlafen“.

Werden wir vor eine Entscheidung gestellt, die mehrere Optionen offen lässt, gibt es meist drei Möglichkeiten: den spontanen Entschluss, die zeitnahe und die lang überlegte Entscheidung. Soweit wir die Zeit zur Auswahl besitzen, ist in der Regel eine Entscheidung nach wenigen Tagen die beste. Spontane Entschlüsse sind sehr stark von Emotionen geprägt. Es ist schwer, in der akuten Situation die wichtigsten Folgen zu erkennen und abzuschätzen. Die Gefahr, dass uns ein wichtiger Aspekt durchrutscht, ist groß.

Lange über eine Entscheidung nachzudenken, birgt die Gefahr, durch das Abwägen aller denk- und undenkbaren Konsequenzen den Blick für die wirklich wichtigen Faktoren zu verlieren. Dann kommen häufig faule Kompromisse oder halbherzige Entscheidungen heraus. Nach ein, zwei, spätestens drei Tagen haben wir fast immer die wichtigsten Eckdaten für uns erfasst. Alle anderen Aspekte entfallen mit dem Mut zur Lücke.

Mit Effectuation und schnellem Entscheiden können wir das Beste, das vor uns liegt, entdecken und aufnehmen. So können wir positiv in die Zukunft schauen, besonders in schwierigen Zeiten.


Über den Autor

Dr. Michael Groß
• Unternehmer, Redner und Trainer, Autor und Dozent mit Schwerpunkt auf Change Management und Digitale Transformation
• Bekannt durch seine sportlichen Erfolge im Schwimmen: mehrfacher Goldmedaillengewinner bei den Olympischen Spielen (1988 und 1984) sowie Welt- und Europameisterschaften im Freistil und Schmetterling
• Lebensweisheit: „Nicht, weil etwas schwer ist, wagen wir es nicht. Weil wir etwas nicht wagen, ist es schwer.“
• Key Note Vortrag beim Industrieforum 2022: „Unternehmen für die Zukunft fit machen“

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